Lewitt LCT 640
LoveMyLewitt!
Da ich von meinem Lewitt LCT340 einfach sehr, sehr begeistert war, habe ich mich vor ein paar Jahren entschieden, mutig und ohne vorherige Tests ein Lewitt LCT 640 anzuschaffen. Über die Jahre ist es sowas wie ein verlässlicher, treuer Kumpel geworden. Der Massstab für meine Stimme ist für mich irgendwie immer noch ein TLM67. Das hat so eine... kratzige Intimität. Reinsprechen fühlt sich für mich immer an, als hätte jemand grade Kaminholz nachgelegt. Das Lewitt hat eher eine klare Kuscheligkeit, sowas wie ein seidiges frischweichspülerduftschwangeres Tüchlein im Frühlingswind. Und bevor es jetzt völlig abgehoben wird... :)
Grossmembran Kondensator Mikrofon
Authentica hat Lewitt die Serie von Mikrofonen getauft, zu der auch dieses LCT640 gehört. Optisch ist es in jedem Fall authentisch, etwas grob und klotzig vielleicht, aber gar nicht so gross wie es auf den Fotos wirkt. Mal kein Nachbau eines vorhandenen Designs, vielleicht Anlehnungen an ein AKG 414 - aber keine optische Kopie. Die goldbeschichteten Membranen mit 25mm Durchmesser schimmern edel durch das feine Federstahlgitter. Entwickelt in Österreich, gefertigt in Fernost - mit offensichtich sehr guter Qualitätskontrolle. Der erste Satz der beiligenden Anleitung: "Das LCT 640 Authentica wurde konstruiert, um die Messlatte in der Klasse absoluter Top-Kondensatormikrofone noch ein Stück höher zu legen". Na dann... hab ich wohl genau das richtige gekauft?
Bedienung und Ausstattung

Richtcharakteristik
Das Lewitt LCT 640 ist ein Echtkondensatormikrofon und benötigt Phantomspeisung. Es hat eine Doppelkapsel, also quasi 2 Mikrofonkapseln, die Rücken an Rücken montiert sind, was Voraussetzung für die Veränderbarkeit der Richtcharakteristik ist. Diese lässt sich mit einem Taster mit angenehmem Druckpunkt auf der Front umschalten, angezeigt wird die aktive Auswahl eindeutig mit einem weiss hinterleuchteten Symbol. Möglich sind:
- Kugel
- Acht
- Niere breit
- Niere
- Superniere
Das LCT 640 eignet sich also nicht nur als Gesangsmikrofon, sondern zusammen mit einem weiteren Mikrofon auch für Mid-Side Stereo (Richtcharakteristik 8) oder Raum-Aufnahmen mit Kugelcharakteristik. Die wählbare Breite der Empfindlichkeit bei der Nierencharakteristik macht sich live sehr gut, zum Beispiel als breitere Niere über einem Flügel, oder als Superniere vor einem Kontrabass, wenn die benachbarten Instrumente nicht mit aufgenommen werden sollen. Die 8 war für mich bei der Kaufentscheidung ehrlicherweise das Wichtigste, weil ich eine Lösung für Mid-Side-Stereo gesucht habe.
LowCut
Störgeräusche wie Bodentrampeln, Wind, Vibrationen lassen sich mit dem einstellbaren Tiefenfilter reduzieren. Auch dieses wird über einen Taster auf der Front bedient, und zeigt den gewählten Wert ebenfalls über ein hinterleuchtetes Symbol deutlich an. Möglich sind:
- flat
- 40Hz
- 150Hz
- 300Hz
Da die Filter bei 150Hz und 300Hz nur mit 6dB/Oktave zu Werke gehen (bei 40Hz sind es 12dB), schneidet man damit nicht radikal irgendwas ab - und kann es deshalb auch als EQ einsetzen, zum Beispiel bei einer Akustikgitarre mit zu kräftiger Korpusresonanz. Mach` ich eher am Pult. Dafür kann das Mikro aber nix :)
Dämpfung und Automatik
Wenn es mal lauter wird - lässt sich eine Vordämpfung einstellen, um den preamp im Mikrofon nicht zu übersteuern. Auch diese Funktion, Ihr ahnt es schon: Taster auf der Front, hinterleuchtete Anzeige. Perfekt gelöst. Möglich sind:
- flat
- -6dB
- -12dB
- -18dB
Zusätzlich dazu hat das LCT640 eine Funktion, die Lewitt "Automatische Vorabschwächung" nennt. Aktiviert wird sie durch das Drücken des mittleren Tasters, und das Lewitt Logo verfärbt sich zur Bestätigung rot. Ist diese Funktion aktiviert, schaltet das Mikrofon bei Erreichen der internen Aussteuerungsgrenze einfach eine Dämpfungsstufe höher. Beim Singen oder Sprechen von Einzel-Takes mag die Funktion verzichtbar sein. Für live-Mitschnitte ist es allerdings eine sehr segensreiche Funktion, und in der Nachbearbeitung ist im "Ernstfall" das Anheben um z.B. 3,5dB ab 3:12:32 des ersten Songs gar kein Problem, wohingegen eine anhaltend verzerrte Kickdrum den gesamten Mitschnitt ruiniert. In die Zukunft gucken kann das Mikrofon natürlich nicht - die Schaltung kann erst einsetzen, wenn der Pegel zu hoch ist. Das soll aber innerhalb einer halben Sekunde geschehen, also - in diesem Beispiel: ein einziger Kickdrum-Tritt wäre verzerrt. In die Vergangenheit gucken kann das LCT640 aber sehr wohl, und mit dem 2sekündigen Halten des LowCut-Tasters zeigt es die "Clipping History" an, also ob die automatische Abschwächung gegriffen hat - indem die dann übersteuerte Vordämpfung blinkend dargestellt wird.
Polardiagramm/Frequenzgang
Da ich keine eigene Messgelegenheit habe (wer hat das schon?), muss ich mich hier auf die Herstellerangaben verlassen. Die haben sich in der Anwendung aber bestätigt. Wie üblich, weist das Mikrofon bei verschiedenen Richtcharakteristik-Einstellungen auch leicht geänderte Frequenzgänge auf Achse auf. Als Niere hat das Mikrofon eine sanfte Anhebung bei 4kHz und 12kHz, die ganz und gar nichts mit den "China-Höhen" von preisgünstigen Hausmarkenmikrofonen zu tun hat. Als Acht verschieben sich die beiden Anhebungen auf ca. 8k und 15k, bei der Kugel ergibt sich eine kleine Senke bei 6k und eine Anhebung bei 12k. Das sind alles sehr dezente Abweichungen vom linealglatten Frequenzgang - keine aggressiven Sound-Presets. Deshalb lässt sich das mit dem Lewitt aufgenommene Signal auch sehr kräftig nachbearbeiten und EQen, ohne dass hässliche peaks entstehen. Die Polardiagramme sehen sehr gleichmässig aus, und in der Praxis klingt das Lewitt bei seitlich eintreffendem Schall nicht unangenehm oder unausgewogen.
Extra?
Damit niemand Blödsinn macht, ist eine Tastensperre aktivierbar. Das allerdings finde ich für live-Anwendungen super, denn das elegant hinterleuchtete Display verlockt sehr dazu, einfach mal auf die Knöpfe zu drücken. Die Spinne ist im Lieferumfang, ein brauchbarer Koffer auch (sind mir aber immer zu groß, die Dinger) und ein Schaumstoff-Windschutz zum Aufstecken.
Der Klang?
Wie anfangs schon angemerkt, kann ich nur subjektiv berichten. Das muss natürlich nicht so albern formuliert sein wie am Anfang des Artikels ;) Das Lewitt LCT640 würde ich mit "klar und kräftig" umschreiben. Es fehlt absolut nicht an Wärme, aber die "Durchhörbarkeit" und der Detailreichtum begeistern mich immer wieder aufs Neue. Es wirkt neutral aber nicht kalt, bei naher Ansprache warm und intim, aber nicht blubberig-fett, niemals nervig, höhenlastig oder unkontrolliert-boomy. Die verschiedenen Richtcharacteristika machen es universell einsetzbar - und das ist auch ein Ergebnis der Klangabstimmung. Ein TLM67 würde ich zum Beispiel nicht über einen Steinway Grand stellen wollen. Das Lewitt sofort. In den letzten Jahren habe ich das Mikrofon viel und gern verwendet. Live und bei Aufnahmen, zu Hause, open-air, in Studios, Proberäumen,... und das Ergebnis war immer gut oder besser als erwartet. Probleme oder einen Ausfall hatte ich damit noch nie. Es ist sehr rauscharm, starke Kompression ist also auch bei leisen Signalen kein Problem.
Preis und so
Die Grenze dafür, wie teuer eine Anschaffung "für den Eigenbedarf" sein sollte, und wieviel man berechnen kann, wenn man ein Mikrofon zum Aufnehmen ausführt, ist eine sehr individuelle. Für mich ist so ein "fast-Tausend-Euro-Mikrofon" die Grenze des Sinnvollen. Mehr Mikrofon-Qualität kann ich in den Räumen, die mir zum Aufnehmen zur Verfügung stehen, nicht ergebnisrelevant einsetzen. Mehr geben vermutlich auch viele meiner Signalquellen nicht her. Auch die Live-jobs die ich mache, rechtfertigen keinen 25kEUR Mikrofonkoffer mehr. Wenn ich in teuren Räumen bin, oder nochmal sowas wie eine Radio-Bigband mischen sollte, sind eh mehr und bessere Mikrofone vorhanden, als ich mir leisten möchte. Für mich zum Sprechen vielleicht sogar ein Vintage U67. Dann muss ich dahin eigentlich kein eigenes TLM67 mitbringen. Das Lewitt packe ich gern ein, es ist noch nicht so teuer, dass ich es aus Angst nicht überall nutzen mag, und durch die einstellbare Richtcharakteristik kann ich es auch zu Hause und in akustisch unglücklichen Umgebungen universell einsetzen. Ein echtes Lieblingsmikrofon eben.
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