livingloud - Akustik Gitarre aufnehmen

Akustikgitarre aufnehmen

Du willst zu Hause oder im Proberaum Deine Akustikgitarre selbst aufnehmen? Die Idee hatte vor Dir schonmal jemand :) Vielleicht ist es einfacher, wenn Du ein paar beliebte Fehler auslässt:

Kleinmembran-Kondensator-Mikrofon vorm Schallloch

Ein so kleines, einfach wirkendes Intrument wie eine Akustikgitarre - das müsste doch eigentlich ziemlich einfach aufzunehmen sein? Wo der Schall rauskommt, kann man ja sogar sehen - dafür haben die Dinger ja ein schönes, rundes Loch. Also stellen wir doch einfach das extra gekaufte Kleinmenbran-Kondensatormikrofon dicht vor genau dieses Schallloch und hören uns das Ergebnis an.

Puh.

...Klingt ja nun nicht wie grosse weite Welt und Top-Ten-Hit. Das Schöne bei Akustikgitarren ist, dass der Klang fast überall entsteht - entlang des Halses, auf der gesamten Decke, direkt an den schwingenden Saiten, ein wenig sogar auf der Rückseite durch das Schwingen des Bodens. Irgendwie ja auch beruhigend - alles, was an den dem Ding dran ist, macht auch Sound. Merkt man ja auch beim Spielen - das Ding vibriert einfach überall. Und nu?

Probleme, Probleme...

Jetzt wirds erstmal technisch. Aber hoffentlich nicht unverständlich :) In den meisten Fällen wirst Du ein Nierenmikrofon (Cardioid ist übrigens der englische, chinesische,...:) Begriff, falls das auf Deinem Ding draufsteht, weisste Bescheid) besitzen. Also ein Mikrofon, das im Idealfall nur für Schall von vorn empfindlich ist, und die von hinten eintreffenden Geräusche deutlich "leiser wahrnimmt". Der besonders schall-empfindliche Bereich sieht im Querschnitt aus wie eine Niere - deshalb der Name. Das Symbol ist bei den meisten Mikrofonen auch irgendwo aufgedruckt/eingraviert/...

Nierenmikrofon

Diese Nierencharakteristik ist bei allen Mikrofonen abhängig von der Frequenz - die Form der Niere ist mehr oder weniger perfekt, je nachdem ob tiefe oder hohe Töne ankommen - oder anders gesagt: die Empfindlichkeit des Mikrofons für tiefe Töne ist seitlich und hinten fast so gross wie direkt von vorn, während die Nieren"Funktion" bei mittleren und höheren Frequenzen viel deutlicher ausgeprägt ist. tellt man nun ein Nierenmikro vor eine Akustikgitarre, macht ein Foto, und kritzelt dann ein vereinfachtes Polardiagramm ins Bild, sieht das ungefähr so aus:

Kleinmenbran Nierenmikrofon für Akustikgitarre

Stellen wir das Mikrofon noch dichter vors Schalloch als auf dem Foto, ergibt sich ein sehr dumpfes, dröhniges Klangbild. Denn grade aus dem Schallloch einer Akustikgitarre kommt besonders der Tieftonanteil (halt mal Dein Ohr davor - man hört dort besonders gut den Bereich um die Eigenresonanz des Gitarrenkorpus, bei den meisten Herstellern zwischen 150 und 200Hz) und im Verhältnis gar nicht viele Höhen. Die Höhen werden im blödesten Fall noch von Deiner Anschlaghand vorm und vom Mikrofon abgeschirmt. Übertreiben könnte man, indem man das Mikrofon ins Schalloch steckt - dann würde man gar keine Höhen mehr hören, weil die Saiten dann ja auf der Rückseite der Mikrofonkapsel wären. Das ist also nicht nur unpraktisch, sondern eh sinnlos - (es sei denn, man dreht das Mikrofon um).

Weil das noch nicht reicht, kommt bei einem Nierenmikrofon zusätzlich der Nah(besprechungs)effekt ins Spiel. Das kennst Du bestimmt von Deinem Gesangsmikrofon: Je dichter Du rangehst, desto bassiger klingt Deine Stimme. Bei ner Gitarre funktioniert das genauso.

Mit der zunächst naheliegenden Idee, das Mikro direkt auf das Schalloch zu richten, macht man also eigentlich alles falsch. : Das Mikro steht zu dicht vor der Gitarre (Naheffekt), steht an der falschen Stelle (Schallloch) und hat eine nierenförmige Richtcharakteristik, die an den Seiten weniger Höhen aufnimmt als direkt von vorne.

Lösung

Akustikgitarre mit Kleinmembran Kondensatormikrofon Niere

...kostet erstmal nix. Und ist ziemlich banal. Denn: Das Problem ist eventuell nicht, dass Dein Mikro nix taugt. Du musst es einfach nur anders hinstellen - oder Dich selbst, das ist Dir überlassen ;) Weg vom Schallloch, damit es weniger Korpus-Resonanz aufnimmt. Die geeignetste Position für ein einzelnes Mikro ist 30-40cm entfernt vom 12. Bund. Ganz sicher - damit machst Du in keinem Fall etwas falsch. (30cm ist übrigens ungefähr so lang wie ein Schuh in Grösse 45 oder ein DIN A4-Blatt, falls Du Dir das damit besser vorstellen kannst). Egal ob Du ein Großmembran (Dein Gesangsmikro?) oder ein dynamisches Mikro benutzt, ändert sich an dieser Positions-Empfehlung nichts. Mit dem Winkel in Richtung Gitarre kannst Du dann noch etwas beeinflussen, wie viele Höhen Du haben willst.

Auch wenn es zunächst komisch wirkt, das Mikrofon irgendwie neben der Gitarre aufzustellen, und nur auf den dünnen Hals zu zielen statt auf den Korpus - es funktioniert. Wirklich.

Geht da nicht mehr?

Nö. Also ja. Also vielleicht. Ich hab in den letzten Jahren viel ausprobiert, mit XY, M/S, verschiedenen "unechten" Stereo-Varianten. Wenn ich annehmen darf, dass Du wie ich eher eine one-man-show bist und keinen akustisch wirklich guten Raum hast, ist meine Empfehlung: Mit dem zusätzlichen Theater mit mehreren Mikrofonen machste mehr kaputt als besser. Weder kann man als Einzelperson beim Einrichten der Mikrofone gleichzeitig Gitarre spielen und Mikros schieben und abhören, was da passiert (Phasenlage, Anregung von Raummoden), noch wird ein übliches Wohn-/Schlaf-/Arbeitszimmer den Aufwand und die Kosten für die Extra-Ausrüstung belohnen. Für akustische Instrumente ist halt besonders wichtig, wie der Raum klingt (oder wahlweise dass er gar nicht "vorkommt"). In einem wirklich guten Raum mit ausreichend Zeit zum Einrichten mag ich Mid-Side lieber als die "Einmikrofontechnik". Richtig gut gelingt mir das aber auch nur, wenn ich jemanden aufnehme und nicht selbst spiele. In allen handelsüblichen Wohnumgebungen oder Proberäumen... lieber nicht.

Welches Mikrofon?

Was hast Du denn schon im Schrank? Ich erlaube mir mal die mutige Behauptung: In homerecording-Umgebungen mit Mittelklasse-preamps und eigentlich untauglicher Raumakustik ist der Unterschied von Mikrofonen nicht relevant. Das bedeutet nicht, dass es keinen geben wird. Aber es wird kein Mikrofon geben, das die viel grösseren Probleme wie Nebengeräusche, Raummoden, viel zu frühe Reflektionen durch die nahen Wände, ungleichmässiger Nachhall, ... kompensieren kann. Ein Qualitäts-Nieren-Kondensator-Kleinmembranmikrofon darf es ruhig sein. Ob Du 90 EUR für ein anständiges Hausmarkenteil Deines Lieblings-Versenders ausgibst, oder 250 EUR für ein Lewitt LCT340, AKG C451B, Rode NT5, Octava C012, Shure SM98, oder 800 EUR für ein Neumamnn KM84, darfst Du gern nach der Gehäusefarbe entscheiden. Nochmal: Ich will nicht sagen, dass sich diese Mikrofone nicht unterscheiden. Das tun sie sehr deutlich. Der Unterschied ist nur in den meisten Hobby-Umgebungen einfach nicht ergebnisrelevant einsetzbar, und die individuellen Unterschiede der Kombinationen: StandortImRaum - AbstandZurGitarre - Gitarrenauswahl - Saitenalter - Plektronauswahl - Mikrofonauswahl - Preampauswahl - Tagesform sind für eine Einzelperson nicht wirklich reproduzierbar.

Verbesserungen...

Na klar, und zwar ganz einfach. Geh mal Gitarre-spielend durch die verschiedenen Räume, die Dir zur Verfügung stehen. Probiere einfach mal aus, in welcher Zimmer-Ecke es am Besten klingt. Ob Du einen offenen Kleiderschrank im Rücken hast, oder hinterm Mikrofon, ist ein sehr hörbarer Unterschied, auch wenn es total banal klingt. Also - das Lesen, nicht die Aufnahme ;)